Die Hicks Pascha Expedition – Teil 2

Für die Kordofan-Expedition wird nun Hicks Pascha zum Oberkommandierenden berufen. Hicks verlangt weitere 6.000 Mann und 120.000 Pfund Sterling aus Ägypten, da er gezwungen ist, auch die Garnisonen am Blauen Nil an der Grenze zu Abessinien besetzen. Er erhält allerdings nur 3.000 weitere Soldaten und bei diesen handelt es sich lediglich um den Ausschuss der gerade neu gebildeten Ägyptischen Armee. Allein 2.000 Mann dieser Männer sind aufgrund von körperlichen „Defekten“ für die reguläre Truppe abgelehnt worden. 2 Männer haben sich sogar kurz vor der Abfahrt Kalk in die Augen gestreut, um so zu verhindern in den Sudan geschickt zu werden. Auch werden ihm nur 40.000 Pfund Sterling an Geldmitteln zugebilligt. Die Ausstattung der Expedition ist also von an Anfang an höchst ungenügend.

Bei Omdurman, gegenüber der Hauptstadt Khartoum, wird ein großes Feldlager errichtet, welches als Sammelpunkt für die sogenannte Soudan Field Force, die Transporttiere und die Ausrüstung dienen soll. Neben den zusätzlichen 3.000 Soldaten aus Ägypten, die über den Nil nach Khartoum geschickt worden waren, erreichen weitere 600 Infanteristen, 600 irregulären Reitern und 1.800 sogenannten “alte” Soldaten aus Suakin das Lager bei Omdurman. Auf dem Weg nach El Obeid stoßen außerdem weitere Abteilungen aus den Garnisonen von Kawa und Duem zur Streitmacht.

Hicks Pascha, seine Generalstab und einige Kundschafter reiten bei Mondlicht durch die Wüste.

Die tatsächliche Organisation und Zusammenstellung der Hicks Pascha Expeditions-Armee ist nur unzureichend dokumentiert. Laut den bekannten Aufzeichnungen soll die Truppe von Hicks Pascha wie folgt organisiert gewesen sein:

  • Kommandeur: William Hicks Pascha
  • Stellvertretender Kommandeur: Husain Pascha Mazahr
  • Chef des Generalstabs: Oberst Arthur Farquhar
  • Übersetzer: Edward Evans
  • General-Governeur: Ala al Din Pascha

Infanterie – Husain Pascha Mazahr

7.000 regulären Infanteristen (8 ½ Bataillone zu 800 Mann pro Bataillon)

  • Ägyptisches Infanterie Regiment, 1., 2., und 3. Bataillon – Salim Bey Uni
  • Ägyptisches Infanterie Regiment, 1., 2., und 3. Bataillon – Said Bey Abd al-Qadir
  • Ägyptisches Infanterie Regiment, 1., 2., und 3. Bataillon (?) – Raghib Bey Sadiq
  • 800 irreguläre Infanteristen / Schaiqia

Kavallerie – Major Baron Götz von Seckendorff

  • 400 berittenen Bashi-Bazouks – Hauptmann A. Herlth / Hauptmann Matyuga
  • 500 Ägyptische Reguläre Kavallerie – Major Warner (?)
  • 100 Reiter schwerer Kavallerie (in Kettenpanzer und Helmen) – Leutnant Moritz Brody
  • 50 Arabische Irreguläre Reiter – Genawi Bey

Artillerie – Abbas Bey Wahbi

  • 4 x 80mmKrupp Feldgeschütze
  • 10 bronzene „Mountain-guns“
  • 6 Nordenfeldt-Repetiergeschützen

Train

  • 500 Ersatzpferde
  • 5.500 Transportkamele
  • 2.000 Fahrer, Treiber und Zivilisten

Dazu kamen die beiden Doktoren, der Generalarzt Georghis Dimitrious Douloughlu und Stabsarzt Rosenberg sowie die Zeitungskorrespondenten O’Donovan und Frank Vizetelly. Begleitet wird die Truppe auch von einigen Beamten, die nach der erfolgreichen Rückeroberung von EL Obeid vor Ort eine vorübergehende Administration bilden sollen. Dazu gehörten Busati Bey Madani, der ehemalige sudanesische Finanzminister, der ehemalige Gouverneur von Khartoum, Mahmud Ahmadani und Hamad al-Tilib , Leiter des Berufungsgerichtes in Khartoum.

Die Armee marschiert.

Der Mahdi in El Obeid

In El Obeid erwartet der Mahdi bereits einen Angriff aus Richtung Khartoum. Um sich auf den kommenden Feldzug vorzubereiten, verlassen er und seine Kalifen El Obeid und schlagen ihr Heerlager vor den Toren der Stadt auf. Es werden Boten in alle Himmelsrichtungen gesandt, um weitere Stämme zu sammeln, die auch schon bald in Scharen eintreffen. Außerdem schickt der Mahdi drei Amire, Abd el Halim uad el Hashmi, Hagi-Mohammed Abu Girgeh und Omar uad Elias Pascha sowie 3.000 ihrer Gefolgsleute nach Duem am Weißen Nil. Hier befindet sich ein beliebter Flussübergang, den Hicks Pascha und seine Armee auf ihrem Weg nach El Obeid vermutlich wählen würden. Die Aufgabe der Amire soll darin bestehen, den Feind zu beobachten, die Verfolgung aufzunehmen und den Ägyptern schließlich den Rückweg zum Fluss abzuschneiden. Die Armee von Hicks Pascha wird also schon erwartet.

Die Soudan Field Force bei ihrer Ankunft in Berber.

Der Weg nach El Obeid

Am 9. September 1883 bricht die Expeditions-Armee von Omdurman in Richtung Duem am Weißen Nil auf. Eine Strecke von rund 210 Kilometern. Schon am 28. August 1882 war Duem von rund 14.000 Aufständischen angegriffen worden, doch die 500 Mann starke Garnison der Hafenstadt konnte die feindlichen Ansar dank der guten Verteidigungsanlagen zurückschlagen.

Es gab für Hicks drei mögliche Routen, um auf El Obeid vorzustoßen. Die nördliche Route führte auf dem Landweg über eine Karawanenstraße auf direktem Weg von Omdurman oder von Duem nach Bara und dort weiter bis El Obeid. Doch aufgrund der unzureichenden Wasserversorgung auf diesen Routen, kamen diese nicht wirklich in Betracht. Überhaupt war die Wasserversorgung eines der wichtigsten Aspekte bei Reisen in Kordofan, da es in dieser Provinz keine Flüsse gab und nur einige wenige Orte wie etwa EL Obeid und Birked Wasserstelle besaßen, die das ganze Jahr hindurch auch Oberflächenwasser führten. Die mittlere Route begann in Khartoum, ging über Turra el Hadra, vorbei am Berg Araschkol bis Bara und erreichte schließlich El Obeid. Auf der südlichen Route folgte man zunächst dem weißen Nil bis Duem und ging von dort über Shat, Derafisa und Et-Tayara bis El Obeid. Auf Anraten der ortskundigen Führer wurde schließlich entschieden einen zusätzlichen Bogen nach Süden zu schlagen, um durch das Khor Abu Habl über Ageila, Sherkeila und Rahad kommend nach Birked zu marschieren und schließlich von hier aus auf EL Obeid vorzustoßen. Dieser Weg sollte die Armee vorbei an den zuverlässigsten Wasserquellen führen und so die Versorgung der Soldaten und Transporttiere gewährleisten.

Nach einem quälend langsamen Marsch von 12 Tagen, die Strecke wird sonst für gewöhnlich in 4 Tagen bewältigt, und das bei brütender Hitze, erreicht man Duem am 20. September. Schon jetzt sind 157 der Kamele verendet. Hicks Pascha stößt erst hier zu seiner Streitmacht, denn er ist per Schiff von Khartoum nach Duem gereist. Auch Ala ed Din Pascha, der derzeitige General-Gouverneur des Sudan und sein Stab schließen sich hier der Expedition an. Der Plan von Hicks Pascha sah zunächst vor, von hier aus eine Ketten von befestigten Posten, besetzt mit je 200 Mann bis zum Ziel anzulegen. So wollte er die Versorgung und den Rückweg der Armee sichern. Da man aber fürchtet kleine Abteilungen allein in feindlichem Gebiet zu lassen und man die Streitmacht nicht unnötig teilen will, wird dieser Plan wieder aufgegeben. Bis El Obeid liegt nun ein Marsch von 380 Kilometern vor den Soldaten. Man hat Verpflegung für rund 50 Tage dabei, zu wenig, um vor El Obeid wieder umkehren zu können. Wasser kann man für die 10.000 Menschen und 14.000 Tiere immer nur für rund 24 Stunden mitführen. Es heißt also Sieg oder Tod.

So verlassen die die ägyptischen Truppen Duem schließlich am 24. September 1883 und marschieren in südwestlicher Richtung über Shat, Zureiga, Egela, Sherkeila nach Rahad, wo sie am 20. Oktober eintreffen. Die Marschformation wird von den irregulären Reiter, der schweren Kavallerie und dem Generalstab angeführt. In der Formationsmitte befindet sich die Artillerie, gedeckt in der Front und Rückseite von einem Infanterie-Bataillon in Linie sowie in den Flanken von der restlichen Infanterie in Kolonne. Am Schluss der Formation gehen die Transporttiere, rechts und links von der Kavallerie und den Bashi Bazouks gedeckt. Während des Marsches werden die Regierungstruppen ständig von den Ansar des Amir Abu Girgeh und des Ab del Halim im Auge behalten. Auch einige tausend Baggara der Gowameh unter ihrem Anführer Asakir Abu Kalam haben sich den Aufständischen angeschlossen. So kommt es immer wieder zu kleinen Gefechten, bei denen einige der Bashi Bazouks getötet werden.

Die Bashi Bazouk Reiter haben einige Gefangene gemacht.

Auf ihrem Weg finden die Soldaten kaum Nahrung, da die Bewohner ihre Dörfer mit allen Vorräten verlassen haben. Bei Shirkeila hat man eigentlich auf eine Verstärkung durch einige Tausend Teghelesen gehofft, aber die versprochene Hilfe trifft nicht ein. Zudem sind die Oberbefehlshaber in ständige Streitigkeiten verwickelt. Die europäischen Offiziere auf der einen Seite und der ägyptische General-Gouverneur Ala ed Din auf der anderen Seite. Schwer wiegt auch der Verlust hunderter Lastkamele, die durch schlechte Pflege zu Grunde gehen. Ihre Ladung ist meist unzureichend gepolstert und so reibt das blanke Holz der Lastgestelle tiefe Wunde in den Rücken der Tiere. Auch den Pferden geht es nicht besser und als die Armee Rahad erreicht, sind fast alle Ersatztiere durch das Klima zugrunde gegangen.

Natürlich tut die von Anfang an schlechte Moral der Truppe ihr Übriges, um die Situation weiter zu verschlimmern. Zudem sind die einheimischen Führer in Wahrheit vom Mahdi bezahlte Männer, die Hicks und seine Männer in die mit hohem Grass und Bäume bewachsen Gegend von Rahad lenken. Hier sollen eigentlich auch 500 Reiter eines Baggara-Stammes zu den Regierungstruppen stoßen, aber die Reiter entpuppten sich als feindlich und so zerplatzt auch diese Hoffnung auf Verstärkung.

Hicks Pascha und seine Offiziere verhören Gefangene. Die Männer wurden dabei erwischt, wie sie Telegrafenleitungen durchschnitten haben.

Hier ein kleiner Auszug aus den Aufzeichnungen des Major Evans vom 30. September, der letzten Nachricht, die von der Expeditionsarmee an Khartoum geschickt wurde: „Wir verließen Chartoum den 9. September und gingen am Westufer des Weißen Nil vorwärts und mit Ausnahme einer viertägigen Rast in Duem marschierten wie seitdem ununterbrochen. Die Hitze ist fürchterlich. An die 30 Mann starben an Erschöpfung und Kamele fallen täglich nach Dutzenden. Montag waren wir 12 Stunden im Sattel, für 16 Tage machten wir durchschnittlich 8 Stunden im Tag. Wir hielten in diesem elenden Dorfe von 20 Hütten, um Menschen und Tieren eine kleine Rast zu gewähren. Das Wasser ist abscheulich. Der Feind soll in großer Stärke 30 Meilen vor uns sein, wir werden also in vier Tagen zusammenstoßen. Der Weg hinter uns ist geschlossen und nach dieser Mitteilung kann nichts mehr nach Chartoum gesandt werden, bis wir die Hauptrebellen vernichten.“

Oberst Farquhar und Hicks Pascha (links und rechts am Tisch), sitzen im Zelt mit dem Generalstab zusammen.

In Rahad im Khor Abu Habil, am Rande eines großen Gewässers, schlägt man ein Lager für mehrere Tage auf. Der Feind, der sich auf der anderen Seite der Schlucht im hohen Gras und Bäumen versteckt hat, feuert von seiner Position aus auf die Regierungstruppen, wodurch mehrere Männer getötet werden. Selbst das Zelt von General Hicks durchschlagen einige Kugeln. Der Kommandeur lässt daraufhin seine Soldaten durch das seichte Gewässer des Khors waten und die Feinde vertreiben, wobei jedoch weitere 7 Männer getötet werden.

Dieses Satelliten-Foto zeigt das Khor Abu Habil. Rechts unten ist gut das Gewässer bei Rahad zu erkennen.  

Unterdessen sind einige Ansar in das halb verlassene Lager eingedrungen, um dieses zu plündern. Hicks Pascha lässt jedoch mit einer der Krupp-Kanonen auf die Eindringliche schießen und kann so die Feinde wieder vertreiben. Nun reitet der Amir Ab del Halim in Windeseile persönlich zum Mahdi nach El Obeid, um diesen vom Vormarsch des Hicks Pascha zu informieren.

Gustav Adolf Klootz

Ungefähr zu dieser Zeit desertiert ein gewisser Gustav Adolf Klootz von der Armee des Hicks Pascha. Gustav wird als sonnengebräunter, blonder, blauäugiger jugendlicher Mann mit verbrannter Nase, in Segeltuch gekleidet und mit einem Tarboosh auf dem Kopf beschrieben. Er stammte ursprünglich aus Berlin, wo er zunächst als königlich preußischer Unteroffizier bei den Gardeulanen gedient hatte. Wie und warum es ihn in den Sudan verschlagen hatte ist unbekannt. Er stößt als Bursche oder Diener von Baron Seckendorf zur Truppe des Hicks Pascha. Es kommt aber wohl zu Unstimmigkeiten zwischen ihm und Seckendorf und so wechselt er später in die Dienste von Edmond O’Donovan, dem Korrespondenten der Daily News. An einem der Abende, als die Armee bei Rahad campiert , verlässt er zusammen mit einem Sachsen, vermutlich ebenfalls einem Diener eines der europäischen Offiziere, das Lager und gibt vor Holz zu sammeln. Auf diese Weise können die beiden Deserteure die Vorposten passieren und sich anschließend in die Büsche schlagen.

Gustav feuert auf der Flucht mehrfach sein Gewehr ab, um so die Posten der Armee und auch die Männer des Mahdi einzuschüchtern und auf Abstand zu halten. Nun aber verlässt den Sachsen doch der Mut und dieser kehrt eilig ins Lager zurück. Gustav Klootz ist bei seiner Flucht also auf sich allein gestellt. Nachdem er eine Nacht unter einem Baum verbracht hat, ergibt er sich schließlich am nächsten Morgen einigen Ansar, die sich in der Nähe gezeigt hatten und ruft dabei ständig die Worte „Derwisch, wo ist Derwisch“ (er meinte den Mahdi). Die Ansari entreißen dem Berliner daraufhin sämtliche Habseligkeiten, zu denen Geld, seine Uhr, das Gewehr sowie der Revolver zählen und raubten ihm sogar seine Schuhe. Barfuß erreichte Gustav Kloß schließlich das Lager des Amir Abu Gergia, in welches er im Triumphzug von einigen Reitern geführt wird. Der Amir lässt den Deutschen schließlich mit einem Strick um den Hals zum Mahdi nach El Obeid schleifen. Hier erfahren wir aus dem späterem Tagebuch von Pater Ohrwalder, der ebenfalls ein europäischer Gefangene des Mahdi ist, wie dieser in Lager eintrifft. Gustav, den man zunächst für einen englischen Offizier hält, wird nun eingehend vom Mahdi höchstpersönlich verhört. Vor die Wahl gestellt zu sterben oder Moslem zu werden, erklärt Gustav sich schließlich bereit zum Islam überzutreten. Er erhält eine Gibba, tritt der Armee des Mahdi bei und wird fortan Mustafa genannt. Als Sklave des Kalifen Abdullahi muss er nun gegen Hicks Pascha und seine Armee ins Feld ziehen. Auf dem Schlachtfeld findet Gustav schließlich die Tasche mit den Aufzeichnungen des mittlerweile toten Edmond O’Donovan sowie das Tagebuch des Offiziers Hertl. Er übergibt die Papiere an Pater Ohrwalder, der diese Jahre später aus dem Gedächtnis rekonstruiert, wodurch wir heute zumindest einen gewissen Einblick in die damalige Ereignisse erhalten.

Die Truppen des Mahdi

Am 1. November bricht der Mahdi mit seiner gigantischen Armee von El Obeid auf. Es bleibt nur der Amir Uad Giobara mit seinen Gefolgsleuten und der Fahne zurück. Der gefürchtete Hamdan Abu Anja hat unterdessen schon seine Jiahadia, den Gewehrschützen, mit den Streitkräften des Abd-el-Halim vereinigt. Am 3. November stoßen nun auch die Truppen des Mahdi dazu. Zu ihnen gehörten die Männer des Kalifen Abdullahi, Ali Wad Helu, Sherif Mohammed sowie der Amire Yakub, Adam und Wad en Nejumi. Der Mahdi selbst begibt sich mit Abd el Halim und 1.000 Reitern nach Birket, während seine Truppen, rund 40.000 Ansar, im Wald von Sheikan die Ankunft der ägyptischen Armee erwarten. Amir Nejumi und seine Männer werden vorausgeschickt, während Abu Girgeh und die Krieger des Ab del Halim weiter im Rücken der ägyptischen Armee lauern.

Die Schlacht von Sheikan (Shaykan oder Kashgil)

Am 26. Oktober bricht General Hicks und seine Armee von Rahad auf und marschiert in Richtung Alluba. Am Abend erreichen sie das westliche Ufer des Gewässers von Rahad, am 27. Oktober werden 5 Meilen zurückgelegt und am Tag darauf steht die Truppe 8 Meilen vor Alluba, wo sie schließlich am 29. Oktober ankommen. Der Ort ist verlassen, bietet jedoch reichlich Wasser. Hier erhalten sie hunderte von Kopien eines Briefes des Mahdi, der sie zur Übergabe auffordert. Die Schriftstücke werden jedoch schnell verbrannt oder von den Mannschaften als Toilettenpapier verwendet. Der ursprüngliche Plan sah vor, dass die Armee nun über Birket nach El Obeid marschieren sollte, doch als Hicks die Nachricht erhält, dass der Mahdi mit seiner Armee genau dort stehen soll, rückt er am Samstagmorgen den 3. November weiter nach Kashgil vor. Zunächst geht es 10 Meilen durch dichten Wald. In dieser Gegend bildet die Schwarzdorn-Akazie, im Sudan auch Kitr genannt, ein dichtes Gestrüpp, das aufgrund der extrem langen Dornen der Bäume nur sehr schwer passiert werden kann. Als die Truppen nach 3 Stunden den Wald hinter sich lassen, wird ein befestigtes Lager, ein Zariba gebaut. In dem Moment, als die Nacht hereinbricht, beginnt der Feind das Lager zu beschießen. Es wird befohlen alle Lichter zu löschen.

Die Karte zeigt den letzten Weg der Armee bis zum Schlachtfeld.

Am nächsten Morgen, am Sonntag den 4. November, wird der Marsch in Richtung Wald von Sheikan fortgesetzt. Doch kaum ist die Truppe eine Stunde marschiert, wird das Karree auf der Rückseite angegriffen. Es sind die gefürchteten Gewehrschützen, die Jehadia des Amir Hamdan Abu Anja. Die Regierungstruppen sind zu diesem Zeitpunkt noch 2 Meilen von Sheikan entfernt. Bei diesem Angriff bildet das 4. Bataillon die Rückseite des Karrees, das 1. die Front, das 2 und 3. Bataillon die rechte und linke Flanke, während die Vorräte und die Munition innerhalb der Formation marschieren. Durch einen Schwenk des 1. Bataillons in der Front kann genug Feuerkraft vereint werden, um die Angreifer zu vertreiben. Im Kugelhagel sterben jedoch Ragab Bey, der Kommandeur des 4. Bataillons und einige seiner Männer. Auch viele der Kamele, die das Wasser tragen werden durch den Beschuss getötet. Sie verenden außerhalb der Formation und durch das heftiger Gewehrfeuer ist es unmöglich, die kostbaren Wasserschläuche zu retten. Später berichtet ein Ansar (Bele Ahmed Sirag el Nur) von seinen Kampferlebnissen folgendes: „Wir Derwische waren gespannt darauf sofort anzugreifen, aber der Mahdi hielt uns zurück. So gaben wir uns damit zufrieden, gegen die Türken zu plänkeln und diese mit Gewehrfeuer einzudecken. So furchtbar war das Feuer, dass sämtliche Rinde von den Bäumen geschält wurde, so dass diese weiß glänzten, als ob sie mit Seife gewaschen worden wären“. Nun macht sich der Wassermangel langsam bemerkbar. Der Vormarsch wird unterbrochen und wieder wird ein Zariba errichtet, da die feindlichen Truppen nun in großer Zahl das Karree umschließen. Beim Bau des Lagers werden die ägyptischen Soldaten ständig beschossen, wobei die feindlichen Gewehrschützen gut gedeckt hinter den Bäumen postiert sind.

Hicks Pascha berät sich am Abend mit den Offizieren und Führern. Er erkundigt sich auch nach den Munitionsvorräten. Es sind noch gut 250 Schuss pro Mann vorhanden. Man überlegt, ob man nach Kashgil vorstoßen oder auf Alluba zurückfallen soll. Schließlich entscheidet Hicks Pascha, dass die Armee weiter vorrücken muss. Major Hertl notiert seinen letzten Eintrag ins Tagebuch. Er schreibt, dass Dr. Giorgi Bey am Tag zuvor im Unterleib verwundet worden war und schon bald verstarb. Der Major notiert weiterhin: „ Dies sind schlimme Tage; wir befinden uns in einem Walde; wir sind alle schwermütig. Der General befiehlt Musik zu spielen, um etwas heitere Stimmung in die betrübten Seelen zu bringen; doch bald verstummt die Musik. Die Kugeln schlagen von allen Seiten ein, Kamele, Maultiere und Soldaten fallen. Unsere Menge ist zu dicht, als das die Kugeln fehlgehen könnten. Wir sind ohnmächtig und wissen nicht was, was tun. Der General befiehlt, Halt zu machen und eine Zeriba zu bauen. Heute ist Sonntag, meines lieben Bruders Geburtstag. Gebe Gott, ich könnte mit ihm ein Stündchen plaudern. Die Kugeln fallen immer dichter ein und…“. Hier bricht das Tagebuch unvermittelt ab.

Vermutlich das einzige Foto vom Schlachtfeld, welches den Buglers Tree zeigt.

Um 10 Uhr am 5. November 1883 marschieren die Truppen aus dem Zariba und bilden 3 Karrees, die in einem Dreieck zueinander angeordnet sind. Jedes Karree führt im Zentrum seine Vorräte und Munition mit sich. An der Spitze führt Hicks Pascha und der Generalstab, begleitet von 4 Kanonen die Armee. Dahinter folgt das erste Karree, unterstützt von den zwei anderen, die 300 Meter rechts und links dahinter marschieren. Das rechte hintere Karree wird von Ala ed Din Pasha, das linke von Selim Bey kommandiert. Die Flanken und die Rückseite werden von der Kavallerie gedeckt. Mehrere Geschütze mussten allerdings zurückgelassen werden, da viele Maultiere erschossen worden waren.

Diese Kanone, die heute vor dem Museum in Winchester steht, wurde von der britischen Armee 1898 bei Omdurman erbeutet. Es handelt sich um eines der Geschütze der Armee des Hicks Pascha, die von der Armee des Mahdi bei Sheikan erbeutet wurden.

In dieser Formation erreicht die Truppen schließlich offenes Gelände, dass jedoch auf allen Seiten von dichtem Wald begrenzt wird, in welchem bereits der Feind lauert. Nun sind die Regierungstruppen eingekreist. Hier, ungefähr 4 Meilen südlich von Sheikan und 2,5 Meilen von Fula el Masarin, einer Wasserstelle, kommt es zur entscheidenden Schlacht. An diesem Ort steht auch ein mächtiger Affenbrotbaum, später als „Bugler’s Tree“ bekannt. Nach eine Erzählung soll Hicks einen Trompeter in den Baum geschickt haben, um die Gegend zu erkunden. Als dieser berichtet, dass rundherum nur Feinde zu sehen sind, lässt Hicks Pascha den Mann erschießen, da er fürchtet diese Nachricht könnte die Armee völlig demoralisieren. Angeblich soll das Skelett des toten Trompeters noch Jahre später in den Ästen des Baumes gehangen haben.

Nach einer halben Stunde Marsch, gerade als das erste Karree den Waldrand erreicht, wird dieses angegriffen und es kommt zu einem heftigen Gefecht. Hicks lässt unablässig die Kanonen feuern, die jedoch schlecht gezielt mit ihren Kugeln nur über die Köpfe der Ansari hinweg in den Baumkronen die Äste herabreißen. Fast Augenblicklich wird das Karree gebrochen. Die beiden rückwärtigen Karrees eröffnen ein unkontrolliertes Feuer, durch welches auch viele eigene Männer getroffen werden. Nun erfolgt ein gleichzeitiger Angriff aller feindlichen Verbände aus den umliegenden Waldstücken heraus. Dreimal versuchen die Regierungstruppen den feindlichen Ring zu durchbrechen. Vergeblich. Nach nur 30 Minuten ist alles vorbei und die ägyptischen Truppen sind vollständig vernichtet.

Das letzte Gefecht der Offiziere.

Man erzählt sich, dass die Leichen der Ägypter auf einer Strecke von 2 Meilen drei große Haufen bildeten. Der größte lag vor dem Wald von Sheikan bei Kashgil, dort wo der bereits erwähnte Affenbrotbaum stand. An dieser Stelle werden auch die meisten europäischen Offiziere getötet, die sich zunächst ihren Weg freigeschlagen hatten, bis sie von einigen Baggara Reiter umstellt werden. Der Governeur Ala al Din versucht noch Hicks Pascha und seinen Stab zu erreichen, er wird jedoch vorher getötet. General Hicks soll von seinem Pferd aus mit seinem Revolver bis zur letzten Patrone gefeuert haben, bis er schließlich den Feind mit dem Säbel in der Hand erwartete. Als sein Pferd schwer verwundet wird, steigt er ab und kämpft mit dem Säbel, bis er als letzter der europäischen Offiziere von Lanzen durchbohrt zu Boden sinkt.

Der Tod des Hicks Pascha.

Nach der Schlacht werden die Leichen geplündert und nackt ausgezogen. Wieder werden tausende Gewehre und Munition erbeutet. Einige der Remington Gewehre finden ihren Weg in die Nuba Berge, wo sie noch einige Generationen später als „Hicksi“ bezeichnet werden. Baron von Seckendorf, den man aufgrund seiner Größe für den General Hicks hält, wird der Kopf abgeschlagen und dieser dem Mahdi gebracht. Die wenigen Überlebenden Ägypter, kaum 300 Mann, treibt man zusammen und führt sie in die Gefangenschaft. Einige Männer können fliehen. Der einzig Überlebende Europäer auf dem Schlachtfeld ist Gustav Klootz, der nun als Mustafa in den Reihen der Ansar das Schlachtfeld absuchen soll. Er entdeckt die toten europäischen Offiziere und sieht einen Toten in den Ästen eines mächtigen Affenbrotbaumes hängen. Noch Jahrzehnte später finden Besucher des Schlachtfeldes (1937) große Haufen von menschlichen Knochen in der Gegend und auch die Reste eines Zaribas kann man noch erkennen. Die Truppen des Mahdi sollen nur rund 500 Tote an Verlusten gehabt haben.

Die letzte offizielle Nachricht der Expedition die Khartoum erreicht hat, stammt mittlerweile vom 10. Oktober 1883. Schon einige Tage später steigt die Spannung in der Hauptstadt und auch in Ägypten. Die ägyptische Regierung lässt nun zweimal täglich in Khartoum anfragen, ob Nachrichten eingetroffen sind. Ein Dampfschiff patrouilliert auf dem Weißen Nil, in der Hoffnung dort auf einen Boten zu treffen. Ende Oktober treffen einige Soldaten aus Duem ein, können aber nichts Genaues berichten. Am 19. November 1883 erreicht die Hiobsbotschaft über die Vernichtung der Armee den Weißen Nil. Das letzte große Aufgebot der Regierung ist nun vernichtet. Die Hauptstadt Khartoum besitzt nur noch eine Besatzung von 2.000 Mann und die Bevölkerung des Sudan strömt in Scharen dem siegreichen Mahdi zu. Das Schicksal des Landes scheint besiegelt. Doch der Mahdi bleibt zunächst in EL Obeid, denn seine Aufmerksamkeit richtet sich zunächst auf die westliche Nachbarprovinz, nach Darfur, wo Saltin Bey noch immer Widerstand leistet.

Das Denkmal für die Britischen Gefallenen bei Sheikan (1937)

Quellen:

Aufstand und Reich des Mahdi im Sudan und meine zehnjährige Gefangenschaft dortselbst – Joseph Ohrwalder (1892)

Pater Ohrwalder, ein Gefangender des Mahdi, fiel nach der Niederlage der Armee des Hicks Pascha das unvollendete Tagebuch des österreichischen Majors Hertl in die Hände und so konnte er Einblick in die Ereignisse nehmen. Auch ein Notizbuch des Korrespondenten O’Donovan, sowie die Bibel von General Hicks gelangten in seinen Besitz. Die Aufzeichnungen gingen zwar verloren, jedoch konnte Ohrwalder Jahre später den Inhalt recht gut aus dem Gedächtnis niederschreiben.

Sheikan Battlefield (Sudan Notes and Records Vol. XX 1937) – A.F. Aglen

A.F. Aglen, ein Britischer Offizier der im Sudan stationiert war, hat das Schlachtfeld von Sheikan im Jahr 1937 besucht und vor Ort studiert. Zu dieser Zeit gibt es auch den berühmten Bugler’s Tree noch. Aglen findet außerdem viele menschliche Knochen, den Bugler’s Tree und auch die Reste eines Zaribas einige Kilometer südlich vom Schlachtfeld. Er nennt als Augenzeugen zwei Kämpfer des Mahdi, den zur Zeit seiner Befragung 80-jährigen Bele Ahmed Sirag el Nur vom Stamm der Mahasi und den 65-jährigen Mek el Tahir Toyan del Dud, Anführer der Tumam.

The Adventurous Life of Faraj Sadik (Sudan Notes and Records Vol. XXXI 1951)

Faraj Sadik vom Stamm der Rizeigat, marschiert als Trompeter der Ägypitschen Armee mit dem Expeditions-Korps des Hicks Pascha. Er kann dem Massaker von Sheikan entkommen und flieht mit weiteren Kameraden nach Dilling in die Nuba Berge. Jahre später berichtet er einem englischen Offizier von seinen Erlebnissen.

The Diary of Abbas Bey (Sudan Notes and Records Vol. XXXII 1951)

Nach der Schlacht von Omdurman im Jahr 1898 wird bei einem Toten Ansar ein Tagebuch gefunden. Es handelte sich um die Aufzeichnungen des Abbas Bey, der als Sekretär des General Gouverneurs Ala al Din Pascha an der Hicks Expedition von 1883 teilgenommen hatte und während dieser auf dem Schlachtfeld von Sheikan seinen Tod fand. Das Tagebuch beginnt am 10. September 1883 in Duem und endet am 1. November 1883. Durch die Aufzeichnungen erfahren wir vor allem Details über die Streitigkeiten zwischen den europäischen und den ägyptischen Offizieren.

Der Sudan unter ägyptischer Herrschaft – von Richard Buchta (1888)

Richard Buchta, ein österreichischer Afrikaforscher, reiste in den Jahre 1878 bis 1880 durch den Sudan und erreichte sogar Emin Pasha in Lado. In seinem Buch nennt er einen Kameltreiber als Augenzeuge der Schlacht, der im Dienst von Kenaui Bey mit dem Expeditionskorps nach Kordofan gegangen war.

With Hicks Pasha in the Soudan – John Colborne (1884)

John Colborne ist einer der Offiziere der Expedition. Aus Krankheitsgründen muss er am 15. Juli 1883 nach Kairo zurückreisen. Durch seine Aufzeichnungen können wir aber zumindest die Sennar Expedition verfolgen und einen persönlichen Blick auf die Offiziere und Mannschaften werfen.

Ein Augenzeuge des Schlachtfeldes ist Major Mahumd Abdullah el Mehallawi, ein ehemaliger Beamter der Provinz Bahr-el-Ghazal, der nach seiner Unterwerfung zusammen mit Lupton Bey nach El Obeid gebracht wird. Er trifft zwar 6 Monate nach der Schlacht von Sheikan ein, wird aber auf Veranlassung des Mahdi zum Schlachtfeld geschickt und nimmt dieses in Augenschein. Lupton Bey soll dort auch angeblich eine Skizze vom Verlauf der Ereignisse gemacht haben, die jedoch verloren ging.

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Autor: franktacticaFIGUREN UND GESCHICHTENFIGUREN UND GESCHICHTENFIGUREN UND GESCHICHTEN

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